Lyrik

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Tschen Dsè-Ang
      661?-702?

      Abends in Lo-hiang rastend

      Die Heimat sank in Dunkeln uferlos.
      Der Tag klingt aus, ich zieh des Wegs allein
      Im Flusstal irr ich hin durch alte Lande
      Die Straße mündet in den Grenzort ein.

      Kein Rauch mehr steigt von den verfallenen Wehren.
      Vergreist und starr im tiefen Berg ein Wald.
      Wie soll ertragen ich den Gram der Stunde,
      Vom Wehgeschrei der Affen spät durchhallt?


      Wang We
      699?-761?

      Dem Schen Dsè-fu zum Geleit,
      als er über den Strom gen Osten zog


      Über dem Fährplatz hingen die Weiden;
      wenige Menschen am Stege
      Dem fern-zerklüfteten Ufer zu
      hoben die Ruder sich rege

      Nur noch Gedanken, das mir bleibt,
      so gleich dem Frühlingsweben.
      Stromsüd, Stromnord - es wird dich treu
      geleiten auf deinem Wege.
    • Mal ein Klassiker:

      Friedrich Schiller
      1759-1805

      Der Handschuh

      Vor seinem Löwengarten,
      Das Kampfspiel zu erwarten,
      Saß König Franz,
      Und um ihn die Großen der Krone,
      Und rings auf hohem Balkone
      Die Damen in schönem Kranz.

      Und wie er winkt mit dem Finger,
      Auf tut sich der weite Zwinger,
      Und hinein mit bedächtigem Schritt
      Ein Löwe tritt
      Und sieht sich stumm
      Rings um,
      Mit langem Gähnen,
      Und schüttelt die Mähnen
      Und streckt die Glieder
      Und legt sich nieder.

      Und der König winkt wieder,
      Da öffnet sich behend
      Ein zweites Tor,
      Daraus rennt
      Mit wildem Sprunge
      Ein Tiger hervor.

      Wie der den Löwen erschaut,
      Brüllt er laut,
      Schlägt mit dem Schweif
      Einen furchtbaren Reif,
      Und recket die Zunge,
      Und im Kreise scheu
      Umgeht er den Leu
      Grimmig schnurrend,
      Drauf streckt er sich murrend
      Zur Seite nieder.

      Und der König winkt wieder;
      Da speit das doppelt geöffnete Haus
      Zwei Leoparden auf einmal aus,
      Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
      Auf das Tigertier;
      Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,
      Und der Leu mit Gebrüll
      Richtet sich auf - da wird's still;
      Und herum im Kreis,
      Von Mordsucht heiß,
      Lagern sich die greulichen Katzen.

      Da fällt von des Altans Rand
      Ein Handschuh von schöner Hand
      Zwischen den Tiger und den Leun
      Mitten hinein.

      Und zu Ritter Delorges spottender Weis',
      Wendet sich Fräulein Kunigund:
      "Herr Ritter, ist Eure Lieb' so heiß,
      Wie Ihr mir's schwört zu jeder Stund,
      Ei, so hebt mir den Handschuh auf."

      Und der Ritter in schnellem Lauf
      Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger
      Mit festem Schritte,
      Und aus der Ungeheuer Mitte
      Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

      Und mit Erstaunen und mit Grauen
      Sehen's die Ritter und Edelfrauen,
      Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
      Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
      Aber mit zärtlichem Liebesblick -
      Er verheißt ihm sein nahes Glück -
      Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
      Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
      "Den Dank, Dame, begehr ich nicht!"
      Und verläßt sie zur selben Stunde.


      immer wieder schön. ;)
    • Okay, dann bring ich zum üben noch ein Klassiker: 8)

      Theodor Fontane
      1819-1898

      John Maynard

      John Maynard!
      "Wer ist John Maynard?"
      "John Maynard war unser Steuermann,
      Aus hielt er, bis er das Ufer gewann,
      Er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
      Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
      John Maynard."

      Die "Schwalbe" fliegt über den Erie-See,
      Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
      Von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
      Die Herzen aber sind frei und froh,
      Und die Passagiere mit Kindern und Fraun
      Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
      Und plaudernd an John Maynard heran
      Tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann?"
      Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
      "Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund."

      Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
      Da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
      "Feuer!" war es, was da klang,
      Ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
      Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
      Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

      Und die Passagiere, bunt gemengt,
      Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
      Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
      Am Steuer aber lagert sich´s dicht,
      Und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? wo?"
      Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -

      Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
      Der Kapitän nach dem Steuer späht,
      Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
      Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
      "Noch da, John Maynard?"
      "Ja,Herr. Ich bin."

      "Auf den Strand! In die Brandung!"
      "Ich halte drauf hin."
      Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!"
      Und noch zehn Minuten bis Buffalo. - -

      "Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
      Mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr, ich halt's!"
      Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
      Jagt er die "Schwalbe" mitten hinein.
      Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
      Rettung: der Strand von Buffalo!

      Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
      Gerettet alle. Nur einer fehlt!

      Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
      Himmelan aus Kirchen und Kapell'n,
      Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
      Ein Dienst nur, den sie heute hat:
      Zehntausend folgen oder mehr,
      Und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.

      Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
      Mit Blumen schließen sie das Grab,
      Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
      Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
      "Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
      Hielt er das Steuer fest in der Hand,
      Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
      Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
      John Maynard."

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Nebu ()

    • Ich hatte mir vor langer Zeit mal ein Hermann Hesse Versbuch gekauft.

      Am besten fand ich:

      Beim Schlafengehen

      Nun der Tag mich müd gemacht,
      Soll mein sehnliches Verlangen
      Freundlich die gestirnte Nacht
      Wie ein müdes Kind empfangen.

      Hände lasst von allem Tun,
      Stirn vergiss du alles Denken,
      Alle meine Sinne nun
      Wollen sich in Schlummer senken.

      Und die Seele unbewacht
      Will in freien Flügeln schweben,
      Um im Zauberkeis der Nacht
      Tief und tausendfach zu leben.
      Believe in the future. If you do, spring will come.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von mtc ()

    • Yang Giung
      650-700?

      Wir zogen im Heer

      Feuersignale erhellten die Hauptstadt des Westens,
      Dass aller Herzen voll von Sorge waren.
      Durchs Phönixtor zog aus der Feldmarschall.
      Eiserne Reiter umringten die Burg der Tataren.

      Es bleicht im Dunkeln der Schneenacht die bunte Standarte;
      Dumpf in den Sturm fällt ein der Trommeln Gedröhn.
      Könnt ich ein Hauptmann sein bei den Männern im Feld
      Und brauchte nicht länger gelehrsam in Bücher zu sehn!


      Tschen Dsè-Ang
      661?-702?

      Für Kian den Zensor

      Am Hof der Han sah man geehrt die Schranzen;
      Im Wolkenbau verblich des Grenzers Ruhm.
      Beklagenswerter Sendling auf dem Schrecken,
      Im weißen Haar, wem gilt dein Heldentum?
    • Lu Dschuan
      um 708

      Blick vom Südlichen Turmhaus

      Fern meinem Vaterland, in den Drei Ba.
      Den Turm bestieg ich - Meilen Frühlingsrot.
      O Herzens Harm: dort auf dem Fluss die Fremden.
      Und aus der alten Heimat kam kein Boot.


      Mong Hau-Jan
      689-740

      Am Mediationsraum Meister I-gungs angeschrieben

      Um still dich der Versenkung hinzugeben,
      Schlugst du dein Hütlein auf in Waldes Heimlichkeit:
      Jenseits auf der Tür ragt einsam auf ein Gipfel
      Und vor der Tür ruhn die Täler weit.

      Das Abendlich umgleißt des Regens Bahnen;
      Verwunschnes Blau, das in den Vorhof fällt.
      Ich sah den Lotos an in seiner Reine -
      So rein blieb auch dein Herz im Wahn der Welt
    • Landsteicherherberge
      Hermann Hesse

      Wie fremd und wunderlich das ist,
      Daß immerfort in jeder Nacht
      Der leise Brunnen weiterfließt,
      Vom Ahornschatten kühl bewacht.

      Und immer wieder wie ein Duft
      Der Mondschein auf den Gieblen liegt
      Und durch die kühle, dunkle Luft
      Die leichte Schar der Wolken fliegt!

      Das alles steht und hat Bestand,
      Wir aber ruhen eine Nacht
      Und gehen weiter über Land,
      Wird uns von niemand nachgedacht.

      Und dann, vielleicht nach manchem Jahr,
      Fällt uns im Traum der Brunnen ein
      Und Tor und Giebel, wie es war
      Und jetzt noch und noch lang wird sein.

      Wie Heimatahnung glänzt es her
      Und war doch nur zu kurzer Rast
      Ein fremdes Dach dem fremden Gast,
      Er weiß nicht Stadt nicht Namen mehr.

      Wie fremd und wunderlich das ist,
      Daß immerfort in jeder Nacht
      Der leise Brunnen weiterfließt,
      Vom Ahornschatten kühl bewacht!
      Believe in the future. If you do, spring will come.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von mtc ()

    • Edgar Allan Poe
      1809-1849

      Der Rabe

      Einst, um eine Mittnacht graulich, da ich trübe sann und traulich
      müde über manchem alten Folio lang vergess'ner Lehr'-
      da der Schlaf schon kam gekrochen, scholl auf einmal leis ein Pochen,
      gleichwie wenn ein Fingerknochen pochte, von der Türe her.
      "'s ist Besuch wohl", murrt' ich, "was da pocht so knöchern zu mir her -
      das allein - nichts weiter mehr.

      Ah, ich kann's genau bestimmen: im Dezember war's, dem grimmen,
      und der Kohlen matt Verglimmen schuf ein Geisterlicht so leer.
      Brünstig wünscht' ich mir den Morgen;- hatt' umsonst versucht zu borgen
      von den Büchern Trost dem Sorgen, ob Lenor' wohl selig wär'-
      ob Lenor', die ich verloren, bei den Engeln selig wär'-
      bei den Engeln - hier nicht mehr.

      Und das seidig triste Drängen in den purpurnen Behängen
      füllt', durchwühlt' mich mit Beengen, wie ich's nie gefühlt vorher;
      also daß ich den wie tollen Herzensschlag mußt' wiederholen:
      "'s ist Besuch nur, der ohn' Grollen mahnt, daß Einlaß er begehr'-
      nur ein später Gast, der friedlich mahnt, daß Einlaß er begehr':-
      ja, nur das - nichts weiter mehr."

      Augenblicklich schwand mein Bangen, und so sprach ich unbefangen:
      "Gleich, mein Herr - gleich, meine Dame - um Vergebung bitt' ich sehr;
      just ein Nickerchen ich machte, und Ihr Klopfen klang so sachte,
      daß ich kaum davon erwachte, sachte von der Türe her -
      doch nun tretet ein!" - und damit riß weit auf die Tür ich - leer!
      Dunkel dort - nichts weiter mehr.

      Tief ins Dunkel späht' ich lange, zweifelnd, wieder seltsam bange,
      Träume träumend, wie kein sterblich Hirn sie träumte je vorher;
      doch die Stille gab kein Zeichen; nur ein Wort ließ hin sie streichen
      durch die Nacht, das mich erbleichen ließ: das Wort "Lenor'?" so schwer -
      selber sprach ich's, und ein Echo murmelte's zurück so schwer:
      nur "Lenor'!" - nichts weiter mehr.

      Da ich nun zurück mich wandte und mein Herz wie Feuer brannte,
      hört' ich abermals ein Pochen, etwas lauter denn vorher.
      "Ah, gewiß", so sprach ich bitter, "liegt's an meinem Fenstergitter;
      Schaden tat ihm das Gewitter jüngst - ja, so ich's mir erklär';-
      schweig denn still, mein Herze, lass mich nachsehn, daß ich's mir erklär':-
      's ist der Wind - nichts weiter mehr!"

      Auf warf ich das Fenstergatter, als herein mit viel Geflatter
      schritt ein stattlich stolzer Rabe wie aus Sagenzeiten her;
      Grüßen lag ihm nicht im Sinne; keinen Blick lang hielt er inne;
      mit hochherrschaftlicher Miene flog empor zur Türe er -
      setzt' sich auf die Pallas-Büste überm Türgesims dort - er
      flog und saß - nichts weiter mehr.

      Doch dies ebenholzne Wesen ließ mein Bangen rasch genesen,
      ließ mich lächeln ob der Miene, die es macht' so ernst und hehr:
      "Ward dir auch kein Kamm zur Gabe", sprach ich, "so doch stolz Gehabe,
      grauslich grimmer alter Rabe, Wanderer aus nächtger Sphär'-
      sag, welch hohen Namen gab man dir in Plutos nächtger Sphär'?"
      Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

      Staunend hört' dies rauhe Klingen ich dem Schnabel sich entringen,
      ob die Antwort schon nicht eben sinnvoll und bedeutungsschwer;
      denn wir dürfen wohl gestehen, daß es keinem noch geschehen,
      solch ein Tier bei sich zu sehen, das vom Türgesimse her -
      das von einer Marmor-Büste überm Türgesimse her
      sprach, es heiße "Nimmermehr."

      Doch der droben einsam ragte und dies eine Wort nur sagte,
      gleich als schütte seine Seele aus in diesem Worte er,
      keine Silbe sonst entriß sich seinem düstren Innern, bis ich
      seufzte: "Mancher Freund verließ mich früher schon ohn' Wiederkehr -
      morgen wird er mich verlassen, wie mein Glück - ohn' Wiederkehr."
      Doch da sprach er, "Nimmermehr!"

      Einen Augenblick erblassend ob der Antwort, die so passend,
      sagt' ich, "Fraglos ist dies alles, was das Tier gelernt bisher:
      's war bei einem Herrn in Pflege, den so tief des Schicksals Schläge
      trafen, daß all seine Wege schloß dies eine Wort so schwer -
      daß' all seiner Hoffnung Lieder als Refrain beschloß so schwer
      dies "Nimmer - nimmermehr."

      Doch was Trübes ich auch dachte, dieses Tier mich lächeln machte,
      immer noch, und also rollt' ich stracks mir einen Sessel her
      und ließ die Gedanken fliehen, reihte wilde Theorien,
      Phantasie an Phantasien: wie's wohl zu verstehen wär'-
      wie dies grimme, ominöse Wesen zu verstehen wär',
      wenn es krächzte "Nimmermehr."

      Dieses zu erraten, saß ich wortlos vor dem Tier, doch fraß sich
      mir sein Blick ins tiefste Innre nun, als ob er Feuer wär';
      brütend über Ungewissem legt' ich, hin und her gerissen,
      meinen Kopf aufs samtne Kissen, das ihr Haupt einst drückte hehr -
      auf das violette Kissen, das ihr Haupt einst drückte hehr,
      doch nun, ach! drückt nimmermehr!

      Da auf einmal füllten Düfte, dünkt' mich, weihrauchgleich die Lüfte,
      und seraphner Schritte Klingen drang vom Estrich zu mir her.
      "Ärmster", rief ich, "sieh, Gott sendet seine Engel dir und spendet
      Nepenthes, worinnen endet nun Lenor's Gedächtnis schwer;-
      trink das freundliche Vergessen, das bald tilgt, was in dir schwer!"
      Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

      "Ah, du prophezeist ohn' Zweifel, Höllenbrut! Ob Tier, ob Teufel -
      ob dich der Versucher sandte, ob ein Sturm dich ließ hierher,
      trostlos, doch ganz ohne Bangen, in dies öde Land gelangen,
      in dies Haus, von Graun umpfangen,- sag's mir ehrlich, bitt' dich sehr -
      gibt es - gibt's in Gilead Balsam?- sag's mir - sag mir, bitt' dich sehr!"
      Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

      "Ah! dann nimm den letzten Zweifel, Höllenbrut - ob Tier, ob Teufel!
      Bei dem Himmel, der hoch über uns sich wölbt - bei Gottes Ehr'-
      künd mir: wird es denn geschehen, daß ich einst in Edens Höhen
      darf ein Mädchen wiedersehen, selig in der Engel Heer -
      darf Lenor', die ich verloren, sehen in der Engel Heer?"
      Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

      "Sei denn dies dein Abschiedszeichen", schrie ich, "Unhold ohnegleichen!
      Hebe dich hinweg und kehre stracks zurück in Plutos Sphär'!
      Keiner einz'gen Feder Schwärze bleibe hier, dem finstern Scherze
      Zeugnis! Laß mit meinem Schmerze mich allein!- hinweg dich scher!
      Friß nicht länger mir am Leben! Pack dich! Fort! Hinweg dich scher!"
      Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

      Und der Rabe rührt' sich nimmer, sitzt noch immer, sitzt noch immer
      auf der bleichen Pallas-Büste überm Türsims wie vorher;
      und in seinen Augenhöhlen eines Dämons Träume schwelen,
      und das Licht wirft seinen scheelen Schatten auf den Estrich schwer;
      und es hebt sich aus dem Schatten auf dem Estrich dumpf und schwer

      meine Seele - nimmermehr.
    • Wang We
      669?-761?

      Als ich zusammen mit dem Sekretär Lu Siang
      an der Waldeszelle des Eremiten
      Tsui Hing-dsung vorbeikam
      .

      Am Grunde rings gehäuft die Schatten
      von grüner Bäume Laub.
      Und prall gebauscht die blauen Moose,
      die nie berührt der Staub

      Du ruhst, den Kopf entblößt, die Beine
      weit ausgestreckt, im Tann.
      Nur mit dem Weiß in deinen Augen
      siehst du die Menschen an.



      Gia Dschè
      718-772

      Als ich, in Ba-ling angelangt, zusammen mit
      Li Bo dem Zwölften auf dem
      Dung-ting-See kreuzte.


      In dichter Fülle wirbeln die Blätter
      vom Ahorn am Uferhang.
      Abend über dem Dung-ting-See.
      Der Wogen herbstlicher Drang.

      Wir treiben, von unserer Stimmung getragen;
      die Nähe versunken, die Ferse,
      Da weiße Wolken, da hell der Mond
      betrauern die Herrin vom Siang.
    • Hó Dschè-Dschang
      659-744

      Am Landhaus des Herrn Yüan angeschrieben

      Dem Hausherrn fremd, saß ich mit ihm zusammen;
      Ich hatte nur den Hain, den Quell im Sinn.
      Seid unbesorgt, braucht keinen Wein zu kaufen -
      Hab selber Geld in meinem Beutel drin!


      Li Ho
      791-817

      Pflanze keinen Baum

      Pflanze keinen Baum in deinem Garten!
      Bäume machen traurig Jahr um Jahr.
      Einsam schlafen wir, den Mond im Fenster.
      Und auch dieser Herbst gleicht dem, der war.



      Du Fu
      712-770

      Herbstliche Flöhe

      Ich will mein bittres Lied zu Ende spielen,
      Doch wird des Kleid von Tränen blutig sein.
      Und einmal auch wird es mein Herz verwunden,
      Wenn heim ihr Krieger kommt als bleich Gebein.

      Dass keiner, der mich hört, von Gram und Zorn
      Bezwungen wird, spiel ich das Lied nur leise.
      Des Herbstes Wolken aber fliehn dahin,
      Ein Sturm zog auf, bewegt von meiner Weise.
    • Bo Gü-I
      772-846

      Im hinteren Saal der Palastbibliothek

      Vom Regen feucht die blühende Sophore;
      Herbst ist auf Erden frisch entfacht.
      Vom Wind geregt die Wutung-Blätter;
      den Himmel überkommt die Nacht.

      Im kleinen Büchersaal dahinten
      war nichts zu tun den ganzen Tag.
      Mein weißes Haupt auf einem Wälzer,
      hab ich ihn schlafend zugebracht.



      Gong We
      um 773

      Herbsttage

      Schräges Licht dringt in des Dorfes Gassen.
      Wem eröffnen nun des Herzens Trauer,
      Da die alten Wege menschenleer
      Und des Korn bewegen Herbstes Schauer...
    • An den "Sprüchen" ist überhaupt nichts nahrhaftes dranne. :evil:
      Ich will nur bisschen Kultur ins Forum bringen. ;)

      Aber mal Spaß bei Seite. Aus der deutschen Übersetzung geht leider kaum hervor, das die Tang-Dichter nach einen bestimmten Schema schrieben.
      Auch hab ich mir Erklärungen zu den Gedichten gespart; die vielleicht für das Verständnis notwendig wären. Aber ich wollte euch nicht überladen.

      Beispiel:
      "Im Wolkenbau verblich des Grenzers Ruhm."
      Anm.: Im Wolkenbau (Also im Turm) seines Palastes hatte Kaiser Ming der Han (reg. 58 - 75) achtundzwanzig verdiente Generäle abkonterfeien lassen.

      Solche und Ähnliche Erklärungen zu den Werken wären fürs Verständnis - wie bereits erwähnt - vielleicht notwendig gewesen. Da ich dazu aber keine Lust hatte, muss ihr eben selber denken. :))


      Außerdem bin ich jetzt mit den Tang-Dichtern durch. Mehr davon hab ich nicht. :owackel:

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Nebu ()

    • Christian Morgenstern

      Der Werwolf
      aus DCMA, der freien Wissensdatenbank

      Ein Werwolf eines Nachts entwich
      von Weib und Kind und sich begab
      an eitles Dorfschullehrers Grab
      und bat ihn: "Bitte, beuge mich!"


      Der Dorfschulmeister stieg hinauf
      auf seines Blechschilds Messingknauf
      und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
      geduldig kreuzte vor dem Toten:


      "Der Werwolf" - sprach der gute Mann,
      "des Weswolfs, Genitiv sodann,
      dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt,
      den Wenwolf, - damit hat's ein End'."


      Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
      er rollte seine Augenbälle.
      "Indessen", bat er, "füge doch
      zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!"


      Der Dorfschulmeister aber musste
      gestehn, dass er von ihr nichts wusste.
      Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
      doch "Wer" gäb's nur im Singular.


      Der Wolf erhob sich tränenblind -
      er hatte ja doch Weib und Kind!!
      Doch da er kein Gelehrter eben,
      so schied er dankend und ergeben.
      Believe in the future. If you do, spring will come.
    • Im Nebel
      Hermann Hesse

      Seltsam, im Nebel zu wandern!
      Einsam ist jeder Busch und Stein,
      Kein Baum sieht den andern,
      Jeder ist allein.
      Voll von Freunden war mir die Welt,
      Als noch mein Leben licht war;
      Nun, da der Nebel fällt,
      Ist keiner mehr sichtbar.
      Wahrlich, keiner ist weise,
      Der nicht das Dunkel kennt,
      Das unentrinnbar und leise
      Von allen ihn trennt.
      Seltsam, im Nebel zu wandern!
      Leben ist Einsamsein.
      Kein Mensch kennt den andern,
      Jeder ist allen.