Recht auf informationelle Selbstbestimmung?

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    • bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg06-077

      Warum ist hier nichts von dem urologischen Gutachten zu lesen, das dem Beschwerdeführer eine 90%ige Zeugungsunfähigkeit bescheinigt? Aufgrund dieses Gutachtens hat er die Vaterschaft angefochten, und erst, als seine Klage abgewiesen wurde, hat er den ausgespuckten Kaugummi "seines" Kindes an ein Labor geschickt und mit seiner eigenen Spucke vergleichen lassen.

      Ich kann die Argumentation, daß das Recht des Zahlvaters hinter dem Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung zurückstehen muß, einfach nicht nachvollziehen. Insbesondere in Fällen, in denen der Zahlvater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, ist es doch ein Unding, daß die Mutter dem Vaterschaftstest zustimmen muß. Beide Eltern sind zu gleichen Teilen zur Versorgung und Erziehung des Kindes berechtigt und verpflichtet, und dann soll die Entscheidung, ob ein Vaterschaftstest gemacht werden darf, ausschließlich von der Zustimmung der Mutter abhängen? Die ja für den Fall, daß ihr (strafrechtlich relevanter!) Betrug auffliegt, mit einer Strafanzeige wegen Betruges und Personenstandsfälschung, zumindest aber mit erheblichen finanziellen Einbußen rechnen muß?

      Ich denke, daß dieser Fakt in der Diskussion bisher zu wenig gewürdigt wurde. Das Unterschieben eines Kuckuckskindes ist nach §169 StGB strafbar.
      § 169
      Personenstandsfälschung


      (1) Wer ein Kind unterschiebt oder den Personenstand eines anderen gegenüber einer zur Führung von Personenstandsbüchern oder zur Feststellung des Personenstands zuständigen Behörde falsch angibt oder unterdrückt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

      (2) Der Versuch ist strafbar.

      Quelle: dejure.org/gesetze/StGB/169.html


      § 263
      Betrug


      (1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

      (2) Der Versuch ist strafbar.

      Quelle: dejure.org/gesetze/StGB/263.html


      Wie aber kann eine solche Straftat geahndet werden, wenn der Staat die Straftäterinnen hier so offensichtlich schützt? Mehr noch: den Versuch, eine solche Straftat aufzudecken, unter Strafe stellen will?

      Die Bundesjustizministerin hat einen Eid geschworen, sich für das Wohl des deutschen Volkes einzusetzen. Bisher war mir nicht bekannt, daß das einen Teil des Volkes ausschließt. Wenn sich dieser Teil des Volkes gegen Betrug und Personenstandsfälschung zur Wehr setzen will (also ein Grundrecht wahrnimmt!), dann macht er sich der Körperverletzung schuldig?!

      Ich denke, daß einem Vater, der alle Pflichten bei der Versorgung und Erziehung seiner Kinder hat, ebenso alle Rechte zustehen. Und dazu gehört nach meiner Rechtsauffassung eben auch, daß er sich jederzeit und auch ohne Zustimmung und Wissen der Kindsmutter von seiner biologischen Vaterschaft überzeugen darf. Es ist in meinen Augen ein Unding, daß er dafür vor Gericht gehen soll, wo ihm ja ganz offensichtlich nicht nur Steine, sondern schier unüberwindliche Felsbrocken in den Weg geworfen werden.
      Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?
      Charles Dickens
    • Wenn jemand für ein Kind zahlen soll und er hat berechtigte Zweifel und macht deshalb einen Vaterschaftstest und dabei stellt sich herraus das er Recht hat so hat er ein Unrecht aufgedeckt.
      Und da es kein Unrecht geben soll so muß dieser Test, der wird ja nicht in irgendeiner Drogerie gemacht, auch rechtlich anerkannt werden.

      Gesetzt hin oder her.
      8) und immer nett und freundlich bleiben ;)
    • Original von Orthogräfin
      ...Und dazu gehört nach meiner (Hervorhebung vom Zitierenden) Rechtsauffassung eben auch...

      Genau da liegt vermutlich "der Hund begraben".

      Im Übrigen kann ich der geäußerten Meinung nur voll zustimmen. Vielleicht sollten Sie Ihre Anlyse der "verehrten" Frau Justizministerin einmal zuschicken. Ggf. zusammen mit dem bereits erwähnten Spiegel-Artikel, indem von 70.000 Kuckuckseiern pro Jahr (Habe ich das richtig in Erinnerung - hätte nie gedacht, daß wir noch so eine hohe Geburtenrate haben :))) die Rede ist. 70.000 Unrechtsfälle pro Jahr von der deutschen Justiz sanktioniert??? - Kein Kommentar.

      Doc
      Fernsehen ist der Beweis dafür, daß der Gehirntod
      nicht das Ende des Lebens ist.

      :O :O
      Aus dem Programm "Perlen vor die Säue" des Dresdner Kabaretts Herkuleskeule
    • Bugs, so einfach ist das leider nicht.

      So ist es für kein Gericht nachvollziehbar, wessen Proben der Kläger an das Labor geschickt hat. Insofern kann ein privater Test sicher nicht als Beweismittel dienen. Aber als begründeter Zweifel muß er meiner Ansicht nach anerkannt werden; das heißt, das Gericht muß dann einen offiziellen Vaterschaftstest anordnen.

      Was aber, wenn der Test negativ ausfällt, der Kläger also tatsächlich nicht der biologische Vater des Kindes ist? Dann kann ihm die Kindsmutter jedes Umgangsrecht verweigern. Vielleicht will der Mann das in dieser Konsequenz gar nicht? Wäre es nicht fair, wenn er mit Kenntnis der Vaterschaft oder Nichtvaterschaft eine Wahl hätte? Aus diesem Grund sollten private Tests nicht verboten werden.

      Im Prinzip ist hier doch die einzige freie Entscheidung eines Mannes, mit einer Frau zu schlafen. Von diesem Moment an entscheiden andere über ihn. Er muß ja noch nicht einmal etwas über seine Vaterschaft erfahren.
      Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?
      Charles Dickens
    • Original von Orthogräfin
      Bugs, so einfach ist das leider nicht.

      So ist es für kein Gericht nachvollziehbar, wessen Proben der Kläger an das Labor geschickt hat. Insofern kann ein privater Test sicher nicht als Beweismittel dienen. Aber als begründeter Zweifel muß er meiner Ansicht nach anerkannt werden; das heißt, das Gericht muß dann einen offiziellen Vaterschaftstest anordnen.



      Das wäre aber schon ein Schritt nach vorn.
      8) und immer nett und freundlich bleiben ;)
    • Ob nun mit oder ohne illegalen Test. Auch ein illegaler Test hat nicht mehr Beweiskraft als die Behauptung, nicht der Vater zu sein. Das führt also auch nicht weiter.

      Es muß schon offiziell das Recht auf den Test eingeräumt werden; sonst kommt man aus der juristischen Logik-Falle nicht heraus.

      Und weil eben das Grundrecht höher steht als das Recht auf Kenntnis der Vaterschaft (scheint kein Grundrecht zu sein), kommt es zu dieser verqueren Rechtslage.

      Das BVerfG müßte lediglich das gemeinsame Bestimmungsrecht über das Kind einführen und bei Uneinigkeit ein Gericht entscheiden lassen. Dann wären diese rechtlichen Probleme aus der Welt.

      Joei
    • Morgen ist es soweit.

      spiegel.de/panorama/0,1518,465772,00.html

      Das BVerfG entscheidet morgen im Fall des heimlichen Vaterschaftstestes. Die skandalöse Justizministerin hat zwischenzeitlich Kreide gefressen als sie feststellen mußte, daß das Gericht sich mit der Klage beschäftigt und eine Entscheidung verkünden will.

      So kündigte Zypries in der mündlichen Verhandlung vergangenen November an, Vaterschaftsanfechtungen künftig sogar ganz ohne Darlegung eines Anfangsverdachts zu ermöglichen; parallel dazu erwägt nun auch sie, ähnlich dem Merk-Vorschlag, eine gerichtlich durchsetzbare, reine Vaterschaftsfeststellung anzubieten.


      Auf einmal geht es also.

      Man fragt sich, warum diese Fehlbesetzung des Justizministeriums überhaupt so lange gemauert hat? Gegen jede juristische Vernunft hat sie sich an ihre irrationale Überlegung geklammert und erst eingelenkt, als das höchste Gericht die Werkzeuge vorgezeigt hat.

      Im Vorfeld des Verfahrens hat sie noch ihren Trotz gepflegt:

      Im Vorfeld des Verfahrens hatte Zypries die hohen Hürden des Anfechtungsverfahrens zunächst noch per schriftlicher Stellungnahme vehement verteidigen lassen.


      Mittlerweile ist es ja nichts besonderes mehr, daß Gesetzentwürfe von der jeweiligen Lobby geschrieben werden. Nur muß man sich wundern, welche Lobby der Ministerin die Feder geführt hat.

      Sitzen etwa Ultra-Christen bei Frau Zypries an der Kaffetafel?

      Es bleibt zu hoffen, daß das Gericht nicht nur die Heimlichkeit des Tests bewertet sondern dem Gesetzgeber aufgibt, diesen unerträglichen Zustand in Gänze einer rechtsstaatlichen Lösung zuzuführen.

      Ein Urteil über die Heimlichkeit alleine dürfte für den Kläger nach wie vor negativ ausgehen.

      Joei
    • Und Frau Nochausreichend-Ministerin war natürlich schon immer dafür. :D

      Spannend wird es in der Tat, wenn der Gesetzgeber den einen Vorschlag des BVerfG aufgreift und zuläßt, daß sich ein Vater "nur so" außerhalb einer Alimentationsklage über die Abstammung des Kindes informieren will.

      Dann ist zukünftig in vielen deutschen Kinderstuben der Ruf des Kuckuks zu vernehmen. :zlücke:

      Joei
    • Du meinst, wenn die Oma in ihr Testament schreibt:

      "Ich vererbe mein Vermögen an meine liebe Enkelin; es sei denn sie ist ein Kuckuks-Kind" :))

      Dann könnte es schwierig werden mit der informationellen Selbstbestimmung.

      Ich glaube aber, daß nur die Eltern ein Recht bekommen, über die Ehelichkeit entscheiden zu lassen. Damit sind dann auch alle Erbrechtsfolgen klar.

      Joei
    • Nicht ganz, Joei.

      Warum sollte beispielsweise jemand für die Kosten eines Platzes im Altersheim aufkommen, wenn der Insasse überhaupt nicht sein Vater ist? Hätte er da nicht auch das Recht, die Vaterschaft feststellen zu lassen?
      _________

      Wenn aber ein Mann ein Kind als sein eigenes akzeptiert, dann hat meiner Meinung nach die Oma nicht das Recht, diese Entscheidung in Frage zu stellen.
      Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?
      Charles Dickens

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Orthogräfin ()

    • Wenn der Vater für das Kind gesorgt hat, wird wohl das Kind auch für den Vater sorgen müssen. Wenn der Vater zu Kinderzeiten bereits verschwunden ist, besteht möglicherweise für das Kind keine Verpflichtung. Denkbar wäre auch eine anteilige Regelung je nach Dauer des Zusammenlebens mit dem Kind.

      Das wird dann wohl nach den realen Sozialverhältnissen entschieden.

      Joei
    • Original von Traumtänzer
      spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,466020,00.html

      ein salomonisches Urteil.


      Das denke ich nicht, Fabian.

      Ich halte es für falsch, den heimlichen Vatrerschaftstest zu verbieten und unter Strafe zu stellen (wobei dem Wort "heimlich" immer irgendwie ein Stück Illegalität anhaftet, ich würde einen solchen Test eher als privat bezeichnen).

      Wenn der Zahlvater seine Vaterschaft bezweifelt, wird er künftig im günstigsten Fall einen offiziellen Vaterschaftstest per Gerichtsbeschluß erzwingen können. Dann hat die Kindsmutter aber auch das Recht, ihm nach Feststellung seiner Nicht-Vaterschaft jeden Umgang mit dem Kind zu verweigern (schließlich ist er nicht der Vater), abgesehen davon ist spätestens dann auch die Beziehung zur Kindsmutter zu Ende.

      Vielleicht will der Mann das in dieser Konsequenz gar nicht, sondern möchte nur wissen, ob er tatsächlich dieses Kind, für das er ja nicht nur zahlt, sondern auch sonst sorgt, gezeugt hat? Warum glaubt der Staat, sich hier einmischen zu müssen (oder gar zu dürfen)?

      Ich denke, es sollten künftig sowohl legale private Tests als auch eine gerichtlich angeordnete und rechtlich verbindliche Tests ohne die bisher nahezu unüberwindliche Hürde des "begründeten Anfangsverdachts" möglich sein. Das widerspricht auch nicht den grundrechten des Kindes.

      Alles andere ist aus meiner Sicht schlicht männerfeindlich.
      Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?
      Charles Dickens
    • Da würde ich jetzt zu 100% widersprechen.

      Wir sind nicht bei Wünsch dir was. Entweder der Mann hat Zweifel an seiner Vaterschaft oder nicht. Ein heimlicher Vaterschaftstest ist ein massiver Einbruch in die Selbstbestimmungsrechte des Kindes. Spätestes wenn ein Mann, egal ob heimlich oder nicht, einen Vaterschaftstest anfertigen lässt ist das Vertrauen und das VErhältnis zur Mutter ohnehin zerstört.

      Wo kommen wir den hin wenn in Zukunft jeder Vater kurz nach der Geburt eines Kindes erstmal nen Schnuller wegschickt um auf Nummer sicher zu gehen.

      Und wenn er einen Test haben will muss er bereit sein die Konsequenzen zu tragen, egal wie der Test ausgeht.
      Es muss eine Möglichkeit für den Mann geben im Zweifelsfall einen durchzuführen, aber bitteschön nicht hinter dem Rücken des Kindes oder der Mutter.
      “Wer grundlegende Freiheiten aufgibt, um vorübergehend ein wenig Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.”
      Benjamin Franklin