Recht auf informationelle Selbstbestimmung?

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    • Recht auf informationelle Selbstbestimmung?

      welt.de/data/2006/11/21/1119318.html

      Die Bundesjustizministerin will heimliche Vaterschaftstests jetzt auch vom Bundesverfassungsgericht verbieten lassen.

      Was mich irritiert, ist die Begründung: durch die Verwertung heimlicher Gutachten würde das Grundrecht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.

      Ich kann kaum glauben, was ich da lese. Gilt dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung denn nicht für alle, also auch für die Väter? Warum wird die legale Durchführung eines Vaterschaftstests ausschließlich von der Zustimmung der Mutter (die in einem Streit um die Vaterschaft [auch] eigene Interessen vertritt, also Partei ist) abhängig gemacht?

      Was ist eigentlich mit dem Recht des Kindes, seine leiblichen Eltern zu kennen? Und mit dem Recht des Vaters, für ein nicht von ihm gezeugtes Kind eben nicht zahlen zu müssen?
      Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?
      Charles Dickens
    • Verehrte Frau Gräfin,

      versuchen Sie nicht, der deutschen Justiz mit Logik oder dem gesunden Menschenverstand zu kommen. Ihr Bemühen ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt.

      8o
      Doc

      P.S.:
      Vielleicht sehe ich das als Mann ja auch völlig falsch/naiv, aber in einem Vaterschaftstest geht es ja auch ganz banal um Wahrheitsfindung. Und diese darf doch nicht von der Zustimmung irgendeiner Person abhängig gemacht werden.
      Welche Mutter wird ihre Zustimmung dazu geben, wenn sie weiß/fürchtet, einen "Zahler" für das Kind zu verlieren?
      Fernsehen ist der Beweis dafür, daß der Gehirntod
      nicht das Ende des Lebens ist.

      :O :O
      Aus dem Programm "Perlen vor die Säue" des Dresdner Kabaretts Herkuleskeule
    • Da kann sich das BVerfG mal wieder so richtig auslassen. :zlücke:

      Es sind wohl gleich mehrere Grundrechte betroffen. Die Frage ist nun, welches als das höherwertige eingestuft wird. Zunächst heißt es ja "informationelle Selbstbestimmung". Das ist also das Recht des Kindes. Und nach gehabter Rechtsprechung wird das Recht des Kindes von der Mutter vertreten.

      Außerdem gilt ein in einer Ehe geborenes Kind immer als ehelich; also ist der Ehemann auch automatisch der rechtliche Vater. Eine Vaterschaftsbestimmung ist also überflüssig.

      Natürlich kann das Kind auch ein Recht darauf haben, seinen wahren Vater zu kennen. Aber das kann die Mutter solange verneinen, bis das Kind sich dazu selber äußern kann. Dann könnte es im Nachhinein zu Regreßansprüchen des Verdachtsvaters kommen.

      Wenn nun das Recht auf informationelle Selbstbestimmung höherwertig ist als das Recht auf Abwehr eines ungerechtfertigten finanziellen Anspruchs, sitzt der Verdachtsvater in der Klemme.

      Die Logik führt also zu einem unerträglichen Zustand. Zumal der nicht eheliche Verdachtsvater noch nichtmal ein Umgangsrecht einklagen kann. Er hat also überhaupt nix davon. :D

      Wenn es bei dieser Logik bleibt, ist auch ein heimlicher Test rechtswidrig und muß mit Strafe bewehrt werden.

      Es ist also spannend, was die Richter dazu sagen werden.

      Möglicherweise zieht sich das Gericht darauf zurück, daß jahrelange ungerechtfertigte Zahlungen die Lebensplanung des Verdachtsvaters so nachhaltig beeinflussen können, daß dadurch die allgemeinen Freiheitsrechte des Verdachtsvaters beschädigt werden.

      In dem Fall könnte das Nein der Mutter auf Antrag des Verdachtsvaters durch Gerichtsbeschluß aufgehoben werden.

      Joei
    • Original von Joei
      Außerdem gilt ein in einer Ehe geborenes Kind immer als ehelich; also ist der Ehemann auch automatisch der rechtliche Vater. Eine Vaterschaftsbestimmung ist also überflüssig.

      Gesetzt den Fall, ein verheirateter Mann zweifelt an, der leibliche Vater eines während der Ehe gezeugten und geborenen Kindes zu sein - welche legale Möglichkeit hat er überhaupt, die Vaterschaft anzufechten?

      Was gilt vor Gericht als begründeter Zweifel?
      Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?
      Charles Dickens
    • also ist der Ehemann auch automatisch der rechtliche Vater.


      Der Vater eines Kindes ist gemäß BGB der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat, oder dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 640h Abs. 2 der Zivilprozessordnung gerichtlich festgestellt ist.

      Also ist der Ehemann nicht automatisch der rechtliche Vater.
      Man muß nicht alles wissen - man muß nur wissen wo es steht.
    • Nachtrag: Allerdings wird der Ehemann vom Gesetzgeber erst mal als der Vater angenommen.

      @Orthogräfin:

      Begründete Zweifel sind meines Wissens nicht erforderlich, eine Vaterschaft anzufechten. § 1600 regelt, wer Anfechtungsberechtigt ist. Bei dem von Dir verlinkten Artikel ging es ja um eine Rechtsverletzung dem Kind gegenüber.
      Man muß nicht alles wissen - man muß nur wissen wo es steht.
    • Im Prinzip gibt es die Möglichkeit einer Vaterschaftsanfechtungsklage.

      finanztip.de/recht/familie/vaterschaft-02.html

      Und hier der BGH im Kaugummifall:

      Die "bloße Behauptung, nicht der Vater eines Kindes zu sein", reicht laut BGH nicht aus, um eine Vaterschaftsanfechtungsklage einzuleiten. Der Kläger müsse "konkrete Umstände" vorbringen, die die Zweifel an seiner Vaterschaft "nicht ganz fernliegend erscheinen" lassen. Er muß also belegen können, daß die Mutter im entscheidenden Zeitraum ein Verhältnis mit einem anderen Mann hatte.


      abendblatt.de/daten/2005/01/13/386485.html

      Wenn keiner mitspielt, ist es also für den Verdachtsvater sehr schwer, eine Gerichtsentscheidung zu erreichen. Der bloße Verdacht reicht nicht aus. Da würden wahrscheinlich die Gründe zum Tragen kommen, die man früher für eine Scheidung vorbringen mußte. Also Untreue, Fotos und sonstige alltägliche Beweise.

      Bei Erfolg kann dann ein Test angeordnet werden.

      Joei

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Onkel_J ()

    • Das heißt, selbst wenn so eine "Dame" ihrem Ehemann erzählt, daß er nicht der Vater ihres Kindes ist, kann er gar nichts machen, wenn er es nicht beweisen kann?!

      Warum können dann eigentlich Massen-Gentests angeordnet werden?
      Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?
      Charles Dickens
    • Und trotzdem muß für einen Vaterschaftstest die Zustimmung der Kindsmutter vorliegen? Andererseits kann jeder Mann nach Angabe durch die Kindsmutter zu einem Vaterschaftstest gezwungen werden?

      Das ist doch ein ausgemachter Mumpitz!
      Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?
      Charles Dickens

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Orthogräfin ()

    • Im Ergebnis wird der geheime Test verboten bleiben und strafbar werden wie jede andere Grundrechtsverletzung auch. Die Vertretung des Kindes durch die Mutter wird wohl auch kaum gekippt werden.

      Spannend wird es sein, ob das Gericht einen Weg aufmacht, der dem Verdachtsvater auf dem Gerichtsweg einen Test ermöglicht.

      Die Entscheidung wird wohl erst nächstes Jahr oder so verkündet.

      Joei
    • Original von Doktor_Faustus
      Welche Mutter wird ihre Zustimmung dazu geben, wenn sie weiß/fürchtet, einen "Zahler" für das Kind zu verlieren?

      Dann verfolgt der Staat offensichtlich die gleichen Interessen. Dem Staat ist es doch völlig gleichgültig, wer für den Unterhalt des Kindes aufkommt, wenn es nur nicht das Jugendamt ist.

      Es ist meiner Ansicht nach absolut inakzeptabel, daß die Rechte der Väter derart mißachtet werden. Hat nicht auch ein Mann ein Recht darauf, vor einem (unter Umständen sogar vorsätzlichen) Betrug geschützt zu werden?
      Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?
      Charles Dickens
    • Es ist meiner Ansicht nach absolut inakzeptabel, daß die Rechte der Väter derart mißachtet werden. Hat nicht auch ein Mann ein Recht darauf, vor einem (unter Umständen sogar vorsätzlichen) Betrug geschützt zu werden?


      Sicher ist das so.

      Es ist nur die Frage, wie man das in die Dogmatik einbaut. Wenn Frau Zypries ihr Versprechen, die Feststellungsklage zu vereinfachen, zusammen mit der Strafbarkeit des geheimen Tests angekündigt hätte, wäre die Aufregung wahrscheinlich wesentlich geringer.

      Joei
    • Im Prinzip ist es momentan doch eh sinnlos, privat einen Test machen zu lassen - er wird ja ohnehin nicht anerkannt.

      Daß ein solcher illegaler Test vor Gericht nicht anerkannt wird, halte ich ja noch für einigermaßen nachvollziehbar, schließlich sind hier ohne weiteres Manipulationen möglich. Daß ein solcher Test aber nicht einmal als hinreichender Verdacht anerkannt wird, um die Vaterschaft juristisch anfechten zu können (wobei das Gericht ja dann durchaus einen erneuten Test anordnen kann), finde ich schlicht skandalös.
      Gibt es schließlich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?
      Charles Dickens
    • Der Hintergrund des ganzen Gedöns ist schon die Abwehr eines finanziellen Anspruchs - aber meiner Meinung nach anders als hier bisher besprochen. :zlücke:

      Wenn ein Mann per Test jederzeit nachweisen könnte, nicht der Vater und damit nicht unterhaltspflichtig zu sein, wer müsste dann wohl erstmal den Geldbeutel aufmachen?

      Genau, die Gräfin erwähnte es schon. Die angebliche informelle Selbstbestimmung des Kindes entpuppt sich als Verlagerung möglicher Zahlungen aus der Staatskasse auf per Gesetz wehrlos gemachte "Väter".